Die Trinkwasserversorgung der Stadt Greiz
von den Anfängen bis zur Vollendung
ein Vortrag des ehem. Geschäftsleiters F.-O. Brockmann aus dem Jahr 2005
“Wasser ist das Beste” lehrte der griechische Lyriker PINDAR um 500 v.Chr. und schon die alten Kulturvölker wussten den hohen hygienischen Wert eines guten Trinkwassers zu schätzen. Geben doch die erhaltenen Reste der von ihnen erbauten Wasserleitungen, Viadukte und öffentlichen Bäder ein beredtes Zeugnis.
Quellen stellten sie unter den Schutz der Götter und brachten Dankopfer.
Jahrhunderte vergingen ohne Berücksichtigung der wichtigsten Vorbedingungen bei der Gründung und Vergrößerung von Ansiedlungen zum Gedeihen der Menschen: Licht, Luft und das WASSER.
Vor allem die Beschaffung einer ausreichenden und qualitätsgerechten Menge von Trink- und Nutzungswasser war gefordert.
Dieser Erkenntnis hat sich auch die Stadt Greiz nicht verschlossen.
War bis zum Beginn einer einheitlichen – oder wie wir heute sagen – öffentlichen Wasserversorgung vor 126 Jahren der Einzelbrunnen oder Schöpfstellen an Bach- oder Flussläufen prägend für das Stadtbild zum Beispiel der heute noch bestehende Röhrenbrunnen an der Stadtkirche Grundlage einer Wasserversorgung für die Einwohner, ausgenommen die Versorgung mit Frischwasser der fürstlichen Residenz; so erfolgten die ersten Anregungen für eine zentrale städtische Wasserleitung im Jahr 1874.
Der damalige Bürgermeister Köhler erklärte am 07.08.1874 auf einer Ratssitzung:
„Es erscheint wünschenswert, die Frage zu ventilieren, ob nicht nunmehr an der Errichtung einer Wasserleitungsanstalt für die Stadt Greiz gedacht werden könne.“ Mit 7 gegen 5 Stimmen wurde beschlossen, einen Gutachter mit der Wasserfrage zu beauftragen. Bereits im September wurden die Schönfelder Wasserwiesen und Quellen unterhalb Kahmer besichtigt, Wasserproben entnommen, deren Untersuchung in Jena erfolgte. Dr. Reichardts Untersuchungsergebnis lautete im Text zu den Analysenergebnissen: „Greiz könne sich freuen, wenn dieses Wasser in die Stadt geleitet würde … es zeige eine wünschenswerte Weichheit und Reinheit …“ Nach Vorlage der Vermessung wurde ein Entwurf und ein Kostenanschlag im Jahr 1875 dem Gemeinderat vorgelegt.
Bei einer Ergiebigkeit der Wasserfassung von 1000 Tagesm³ wurden 171.500 Reichsmark ohne Grunderwerb und Entschädigung ausgewiesen. Es wurde jedoch vorerst nur der Schönfelder Teil der geplanten Fassung ausgeführt, deren Ergiebigkeit mit 600 Tagesm³ angegeben wurde.
Die wichtigste Frage war nunmehr die Beschaffung der Bausumme. Die Gemeinde war durch die Beteiligung am Schul- und Eisenbahnbau nicht bereit, die Kosten zu tragen. Von Misserfolgen bei der Beschaffung von Privatkapital gekennzeichnet, gelang es dann einer inzwischen gewählten „Kommission für Wasserleitung“, die von der Fürstlichen Landes-Regierung im September 1878 genehmigte Aufnahme einer Anleihe = Kredit über Anteilsscheine zur Baugeldbeschaffung, den Bau der Wasserleitung von Schönfeld bis zur Stadtmitte zu sichern. Im Januar 1878 lag der baureife Entwurf mit Kostenermittlung vor, im Herbst/Winter 1878 erfolgten die Ausschreibungen und im Frühjahr 1879 der Baubeginn. Der Hochbehälter auf dem Hainberg, die Sammelbrunnen und Schächte errichtete eine Greizer Firma, das Leitungsnetz mit Messeinrichtung sowie die Hausanschlüsse eine Firma aus Schlesien.
Während der Arbeiten im Schönfelder Raum zeigte sich, dass man nur die Hälfte der berechneten Tagesmenge erschließen konnte, so dass es erforderlich wurde, sofort auch das Kahmersche Gebiet auszubauen. Der Bau wurde aber so unterstützt, dass das erste Wasser am 1. Oktober 1879 – also vor 126 Jahren – zur Stadt in den Hochbehälter Hainberg laufen konnte.
Die Bauzeit von nur 7 Monaten für den Ausbau der Fassung Schönfeld, Kahmer I, 6,9 km Rohrnetz und dem Hochbehälter Hainberg mit 540 m³ Fassungsvermögen erforderten 220.000 RM und nötigen uns noch heute Hochachtung ob des geringen Zeitaufwandes gegenüber den Erbauern ab.
1884 erfolgten dann der Ausbau und die Anbindung der Fassung Langer Wiesengrund Kahmer an das Versorgungsnetz mit einem Kostenaufwand von 55.000 RM. Auch dieses Geld wurde durch eine Anleihe beschafft.
1889 war ein großer Wassermangel, der bedingt war durch Trockenheit und dem gestiegenen Wasserbedarf der Einwohner (Bild 7). Lag der Pro-Kopf-Verbrauch
1879 noch bei 7,4 l am Tag, wurden 10 Jahre später bereits 23,2 l verbraucht. Die Ausschreibung für die Errichtung der Fassung Kurtschau führte zu einer Anleihe von 220.000 RM (Bild 8). Die Bauausführung begann im März 1895 und umfasste neben dem Ausbau des gesamten Quellgebiete die Verlegung einer 8 km langen Zuführungsleitung mit dem Bau des Hochbehälters Irchwitzberg mit 1200 m³ Inhalt mit Fertigstellung 1896.(Bild 9+9a+9b)
1908 erfolgte die Erweiterung des Hochbehälters Hainberg um 850 m³.
Zum 25jährigen Bestehen des Wasserwerkes Greiz konnten durch den Direktor Mollberg folgende Zahlen für die Stadt bekannt gegeben werden:
29,155 km Hauptrohrleitung, 204 Stück Absperrschieber, 180 Stück Hydranten, 1314 Hausanschlüsse, 30,8 l/Einwohner u. Tag Wasserverbrauch
Noch heute nach 126 bzw. 100 Jahren sind einige der Fassunsanlagen, Hochbehälter und zum Teil auch Rohrleitungen nach wie vor in Betrieb und versorgen die Bürger der Stadt mit Trinkwasser.
Noch bis in das Jahr 1921 wurden Zinsscheine aus den Wasserwerksschuldscheinen aufgerufen und eingelöst.
1908 brach eine Typhusepidemie aus, die in Schönfeld begann und schnell auf die Stadt übergriff.
Diese Epidemie war auf verseuchtes Schönfelder Wasser zurückzuführen, dessen Zufuhr daraufhin gesperrt wurde. Dadurch wurde in den Folgejahren eine Wassernot – verschärft durch den trockenen Sommer 1911 – herbeigeführt.
Es gab nur 2 h täglich Wasser. Das Krankenhaus wurde mit Wasserwagen versorgt, das Baden war bei 150 RM Strafe verboten.
Langwierige und zeitaufwändige Verhandlungen der Stadt mit den fürstlichen bzw. Thüringer Ämtern brachten die Wiedereröffnung 1921 – bis im Februar 1922 erneut Typhus ausbrach. Seitdem ist diese Anlage stillgelegt.
Wassernot war daraufhin im Stadtgebiet an der Tagesordnung und es setzte über Jahre die Suche nach geeigneten Wässern ein, aber in der Regel ohne Erfolg.
Die 1909/11 am Sauwehr niedergebrachten Bohrungen mit einem Dargebot von 1500 m³/d hätten für Greiz die Wassersorgen beendet, aber die Bürger der Stadt Greiz liefen Sturm gegen den Bau eines Wasserwerkes.
Sie hatten die Befürchtung, dass die kurz oberhalb vorhandene Haupteinleitstelle der Kanalisation der Stadt Greiz in die Weiße Elster die Fassung beeinflusst. Wenn auch mit zahlreichen Untersuchungen nachgewiesen wurde, dass das nicht der Fall war, kam es – auch bedingt durch den Ausbruch des I. Weltkrieges – nicht zur Nutzung.
Bereits 1875 wurde Gustav Mollberg von der Stadt Greiz zum Gasinspektor bestellt und im Frühjahr 1879 wurde ihm die Verantwortung für die einheitliche Wasserversorgung übertragen. 1883 wurde er Direktor der Gas + Wasserwerke, 1887 kamen die Elektrizitätswerke dazu.
Zur Stabilisierung der Wassererzeugung scheute Mollberg sich nicht damalige Kapazitäten wie:
1908 | Geheimrat Prof. Dr. Gärtner Jena – Gutachter zur Typhusepidemie Fassung Schönfeld |
1911 | Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Scheube – Wiedereröffnung Fassung Schönfeld |
1911 | Geh. Bergrat Prof Dr. Keilhack – Gutachten zum Glohdenhammer |
1921 | Geh. Obermedizinalrat Prof. Dr. Abel Jena – erneute Schließung Fassung Schönfeld und Untersuchung Fassungen Pohlitz und Irchwitz sowie die Anlagen in Kurtschau und Kahmer nach Greiz zu holen. |
Mit 77 Jahren nach 50 jähriger Dienstzeit trat er in den Ruhestand. Mollberg prägte in diesen 50 Jahren die Wasserversorgung dieser Stadt.
Durch die Eingemeindung von Orten um Greiz in den Jahren 1924 bis 28 entspannte sich die Wasserversorgungssituation leicht, da alle Orte eine eigene Wasserversorgung besaßen und die vorhandenen Mehrmengen durch Schaffung eines Verbundsystems für die Stadt genutzt werden konnten. Trotzdem kam es immer wieder im Stadtgebiet zu Wassernot.
1928/29 wurde in der Neudeck ein Schachtbrunnen niedergebracht, der mit einer Rohrleitung von
6,8 km Länge mit dem Stadtnetz verbunden war und darüber bis 2000 m³/d gefördert werden konnten. Das war die letzte wasserwirtschaftliche Baumaßnahme bis zum Jahr 1945.
Während die Industrie sich ausbreitete und die Bevölkerungszahl stieg, blieb die Entwicklung im Wasserbereich stehen.
Erst 1947 bis 1952 erfolgte der Bau des Wasserwerkes Schönfeld mit einem Hochbehälter von 1200 m³ Fassung und einem Tagesdargebot von 900 m³ (Bild 18, Bild 18a).
Die weitere Produktionssteigerung der Greizer Industrie verlangte jedoch immer mehr Wasser (mit Trinkwasserqualität).
1949 wurde mit dem Bau einer Anlage zur Gewinnung von uferfiltriertem Elsterwasser in Greiz-Dölau begonnen und nach Errichtung und Ausnutzung des Stausees 1958 in Betrieb genommen (Bild 19, 19a,). Der Hochbehälter Schäfereiberg mit 2000 m³ Fassungsvermögen entstand, so dass die Förderung von fast 3500 m³/d des Wasserwerkes Goldene Aue entsprechend gut zur Verteilung kam. Gleichzeitig erfolgte der Anschluss der Stadt Elsterberg an das Greizer Trinkwassersystem.
1964 ging dann der VEB (K) Wasserwirtschaft Greiz, der 1951 aus dem Stadtwerkteil Wasser bzw. dem KWU (Kommunales Wasserunternehmen) entstanden war, in dem VEB WAB Gera als Betriebsbereich Greiz ein.
1976 war dann die doch immer wieder auftretende Wassernot – vor allem im Mai und im Sommer – durch den Anschluss der Stadt Greiz an die Fernwasserversorgung aus den Weidatalsperren beendet. Erstmals konnte eine durchgehende Vollversorgung mit Trinkwasser garantiert werden.
Die Wende 1990 brachte dann die Rückgabe des kommunalen Eigentums an die Gemeinden und Städte und am 11.12.1992 wurde der Zweckverband Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung Weiße Elster – Greiz (kurz Zweckverband TAWEG) gegründet. Dieser garantiert nun mit seinem Eigenbetrieb Wasser- und Abwasserwerke eine stabile, qualitätsgerechte Ver- und Entsorgung. Heute lesen sich die Zahlen anders als die oben angeführten von vor einhundert Jahren.
Jetzt umfassen die wasserwirtschaftlichen Anlagen in der Stadt:
196,3 km Hauptrohrleitung, 2740 Stück Absperrschieber, 784 Stück Hydranten, 4952 Stück Hausanschlüsse, 93,2 l/E/d Wasserverbrauch.
Das Herz jedes Wasserwirtschaftlers schlägt höher, wenn er sich tiefer mit der Wasserversorgung der Stadt Greiz befasst.
Die topografische Lage – der Elsterpegel, liegt bei 258 m und die höchste Erhebung um Greiz bei 415 m Höhe – ist eine erhebliche Herausforderung, denn sie bedingt zahlreiche Versorgungszonen mit 15 Hochbehältern, 11 Pumpstationen und 4 Wasserwerken und einem komplizierten Verbundsystem, damit – vor allem vor der Fernwasseranbindung – das Trinkwasser von der einen Talseite zur anderen einer Versorgung dienen konnte.
Betrachtet man die Altersstruktur des Trinkwassernetzes, erkennt man, dass 35 % der Leitungen älter als 70 bis 125 Jahre sind und somit die Nutzungsdauer weit überschritten ist. Es sind auch noch einige km Rohrleitungen – regelrechte Oldtimer – aus den Jahre 1878/79 in Betrieb.
Neben der qualitätsgerechten durchgehenden Versorgung der Abnehmer mit Trinkwasser besteht hier ein Nachholbedarf, der jedoch nur abgewogen nach Dringlichkeit und bei Finanzierungsklarheit abgebaut werden kann.
Weiterhin werden Maßnahmen zur Verbesserung der Druckverhältnisse in Teilversorgungsgebieten und Netzoptimierungen im Rahmen der Stadtentwicklungskonzeption sowie die Sanierung von Hochbehältern notwendig. Das Trinkwassertechnische Konzept des Zweckverbandes umfasst den Zeitraum 2000 – 2025 und ist der rote Faden für die qualitäts- und quantitätsgerechte Trinkwasserversorgung in der Zukunft unter Berücksichtigung betriebstechnischer Optimierungen. Bei einem erreichten Anschlussgrad von fast 100 % an das öffentliche Trinkwassernetz in der Stadt Greiz (nur 9 Wohnhäuser sind nicht angeschlossen) kann von Neuanschlüssen nur im Zuge einer Neubebauung, z. B. von Eigenheimen, gesprochen werden.
126 Jahre öffentliche Wasserversorgung der Stadt Greiz ist ein Zeitabschnitt, der unsere Stadt mit geprägt und ihren Namen „Perle des Vogtlands“ mit gefestigt hat. Dank den Vorvätern für ihren Mut und Dank der jetzigen Tatkraft der Mitarbeiter in der Versorgung im gesamten Verbandsgebiet.